Geschichte von New South Wales

Die politische Situation im England des ausgehenden 18. Jahrhunderts war brisant. Strikte Gesetze, die unter drakonischen Strafen durchgesetzt wurden, dienten insbesondere dem Schutz wenige Privilegierter, während große Teile der Bevölkerung nicht nur in großer Armut, sondern auch noch einer Teilanarchie lebten, da sie im Zweifelsfall kaum das Recht für sich einfordern konnten. Die Strafen allerdings, die auf Eigentumsdelikte den Privilegierten allerdings verhängt wurden, waren enorm. Nach dem Verlust der amerikanischen Kolonien 1783 im Unabhängigkeitskrieg drohte nicht nur der Wirtschaft Englands eine weitere Rezession, da wichtige Rohstoffquellen und Absatzmärkte verloren gegangen waren, durch den Verlust des wertvollen Siedlungsgebietes war auch die Ausbreitung des Empire eingeschränkt worden. In diesem Hexenkessel aus wirtschaftlicher Angst und politischer Repression waren die Richter schnell mit harten Urteilen bei der Hand.

Dementsprechend waren die Gefängnisse bis zum Bersten gefüllt, und auch die Gefängnisschiffe, die auf den Flüssen unterwegs waren, konnte kaum noch Sträflinge aufnehmen.

Vor dem Hintergrund dieser brisanten Situation, die nicht zuletzt auch auf der britischen Unterdrückungspolitik gegenüber Schottland und Irland basierte, entschloss die Regierung sich, in Neu-Holland eine Sträflingskolonie zu gründen.

Captain James Cook, dem oft die Entdeckung Australiens zugeschrieben wird, hatte 1770 an der Ostküste von Australien die Botany Bay entdeckt, die sich nach britischem Ermessen hervorragend für diesen Plan eignete. Dies beruhte auf einer nicht unbedeutenden, umstrittenen Fehleinschätzung des Seemanns, der das Gebiet als Niemandsland einstufte, auch wenn sich hinterher herausstellte, dass Cook durchaus Informationen über nicht unerhebliche Aborigine-Siedlungen gehabt haben muss.

Es war wohl nicht zuletzt typisch kolonialbritische Arroganz, die den Entschluss, nach den Angaben des Captains zu handeln, bekräftigte.

Im Januar 1788 erreichte die First Fleet, die den ersten Sträflingstransport nach Australien brachte, Botany Bay. Allerdings erschienen die Bedingungen in dieser Bucht weniger optimal als im nördlich gelegenen Naturhafen Port Jackson, weshalb man schließlich dort mit der Gründung einer Siedlung begann. Die erste britische Sträflingskolonie in Australien wurde nach dem Innenminister Lord Sydney benannt. Diese Gründung war auch der erste Schritt für den steilen Aufstieg der heutigen Millionenmetropole.

Im Laufe der nächsten Jahre trafen weitere Sträflingstransporte ein, und eine langsame, aber stetige Ausbreitung der Siedlung trat ein. Die meisten deportieren Sträflinge wurden mittlerweile ansässigen Farmern oder Unternehmern überlassen, während teilweise auch die Regierung selbst die Straftäter als Arbeitskräfte benutzte.

Im Laufe der Jahre allerdings wurden mehr und mehr Gefangene freigelassen, doch hatten die, die ihre Strafe vollendet hatten, oft kein Interesse mehr, nach England zurückzukehren. Andere, die unter den veränderten australischen Bedingungen vorzeitig begnadigt worden waren, fürchteten nicht zuletzt, dass ihre Freilassung in England vielleicht wieder rückgängig gemacht werden würde.

Die stetig wachsende Zahl freier Menschen in und um Sydney führte schließlich dazu, dass dem Aufruf, die Sträflingsdeportationen einzustellen, nachgegeben wurde. Die freien Menschen Australiens wollten sich vom Ruf losmachen, in einer Strafkolonie zu leben, und trugen diesen Wunsch auch mit mehr und mehr Ehrgeiz in England vor.

Schrittweise wurde diesem Wunsch nachgegeben – in New South Wales wurden die Gefangenentransporte 1840 eingestellt.

Auch wenn die Geschichte des Staates in der Frühzeit eng verwoben ist mit der Geschichte Sydneys, breiteten sich die Siedler in der Region des heutigen New South Wales bald über die Grenzen Sydneys hinaus aus.

1813 fand man nach mehreren Expeditionen einen Weg über die Felsklippen der Blue Mountains und stieß auf ein weites Land im Westen, welches sich ausgezeichnet als Weideland eignete. Die Siedler, glücklich über dieses fruchtbare Gebiet, eigneten sich große Flächen des Gebietes an und setzten damit den Grundstein zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit der jungen australischen Kolonien, die bis zur Passage der Blue Mountains in ständiger Abhängigkeit von britischen Lieferungen gelebt hatten.

Dieses Weideland wurde besonders zur Schafzucht benutzt, und viele Züchter verdienten bald ein Vermögen mit der ausgezeichneten Wolle, die die Tiere auf diesem Land gaben.

1851 wurde die Entwicklung von New South Wales schlagartig angekurbelt, als es zum Goldrausch kam. Goldfunde bei Bathurst hatten diesen ausgelöst, und Bewohner des Landes wie auch Fremde gleichermaßen strömten herbei in der Hoffnung, ein Vermögen zu machen. Rasches Bevölkerungswachstum und ein Boom der Wirtschaft waren die Folge – allerdings waren es weniger die wirklichen Goldfunde, die für diese Entwicklung sorgten, sondern vielmehr der Rausch, der Menschen in die Gegend lockte, die dann nach gescheitertem Schürfen andere Arbeit fanden.

Mit der Einstellung der Sträflingstransporte nahm eine wichtige politische Entwicklung in Australien ihren Anfang. Ein Selbstbewusstsein entstand, und die Menschen, die nun seit beinahe drei Generationen in diesem Land lebten, begannen sich als eigenständige Staaten zu sehen und nicht mehr nur als britische Kolonien – immerhin war das „Heimatland“ für diese Siedler die halbe Welt entfernt.

Die ersten Wirkungen, die dieses Selbstbewusstsein hatte, war die Trennung Victorias von New South Wales. Victoria sollte nun als eigenständige Kolonie bestehen.

1859, acht Jahre später, folgte Queensland dieser Entwicklung. Seit 1863 besteht New South Wales in seinen heutigen Grenzen, wenn man durch die Veränderung durch die Gründung des Australian Capital Territory absieht.

Im Zuge dieses neuen Selbstbewusstseins wurde auch der Legislative Council gegründet, ein Rat, der die Prinzipien der Selbstverwaltung verwirklichen sollte. Die Speerspitze dieser Bewegung war die sogenannte „Federal Movement“, eine politische Vereinigung, deren Einfluss in den Kolonien zu dieser Zeit ständig zunahm. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war sie politisch so stark, das England der Gründung eines australischen Bundesstaates 1901 nicht mehr entgegenwirken konnte.

Bild von Royal Australian Historical Society